SGB-Studie zu Säule 3a zerpflückt

SGB-Studie zu Säule 3a zerpflückt
Lesezeit 5 min

Wie verschiedene Medien heute vermeldeten (u.a. cash.ch), hat der Schweizer Gewerkschaftsbund SGB eine Studie beauftragt, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine 13. AHV-Rente wesentlich günstiger sei als ein Ausbau der Säule 3a. Das ist kein Wunder, dass ausgerechnet der SGB zu diesem Ergebnis kommt, werden von ihm doch die Ettlin-Motion von 2019 sowie der neueste Vorstoss der SVP betreffend Aufstockung des 3a-Abzugs bis aufs Messer bekämpft.

Rein in den Obstsalat des SGB

Wie so oft vergleicht der SGB allerdings Äpfel mit Birnen und unterschlägt jede Menge Informationen, die für ein vollständiges Meinungsbild unabdingbar wären. Beispielsweise erfährt der geneigte Leser nichts darüber, wie die 3a-Gelder in der Studie angeblich angelegt worden sind.

Also habe ich mich an den Rechner gesetzt und die fehlenden Zahlen ermittelt und nachgerechnet.

So schreibt der SGB, die Studie sei von einer alleinstehenden Frau mit voller Erwerbsbiografie und Durchschnittslohn ausgegangen. Ich habe sowohl einen alleinstehenden Mann mit 44 Beitragsjahren und Medianlohn als auch die vom SGB verwendete Frau zugrunde gelegt.

Die erste Lüge des SGB

Medianlohn: 6’538.00 CHF brutto monatlich, also 78’456.00 CHF pro Jahr

Berufsbeginn mit 21 Jahren, Renteneintritt mit 65 bzw. 64, also 44 bzw. 43 Beitragsjahre («Rentenskala 44» / «Rentenskala 43»)

AHV-Beitragssatz im Jahr 2021: 4.35% – macht 284.40 für den Arbeitnehmenden

Erste SGB-Lüge aufgedeckt: sie rechnen vor, die Studiendame zahle im Erwerbsleben total etwa 300’000 CHF in die AHV ein. Das geht nur dann auf, wenn der Arbeitgeberanteil ebenfalls berücksichtigt wird. Gut, mach ich, dann sind das monatliche AHV-Beiträge von 568.80 CHF. Realistischerweise ist aber dabei dann ebenfalls davon auszugehen, dass der Bruttolohn um genau diesen Arbeitgeberanteil höher ausfallen müsste, wenn es die AHV-Zwangsabgabe nicht gäbe.

Das sind 568.80 CHF x 12 Monate x 44 Jahre = 300’326.40 CHF im gesamten Erwerbsleben. Bei der Frau 6’825.60 CHF weniger.

Gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) liegt die Lebenserwartung für einen heute 21-jährigen Mann bei 81.4 Jahren, für eine gleichaltrige Frau bei 85.4 Jahren. Das bedeutet eine durchschnittliche Rentenbezugsdauer für den Mann von 16.4 Jahren und für die Frau von 21.4 Jahren. Das ist wichtig, um die fiktive Verzinsung der AHV-Beiträge ermitteln zu können.

Da das Medianeinkommen unter dem massgebenden Lohn für die Erreichung der AHV-Maximalrente liegt, erhalten meine beiden Musterschüler etwas weniger als das AHV-Maximum, nämlich monatlich 2’294.00 CHF. Das sind jährlich 27’528.00 CHF.

Der Mann erzielt also eine Rente von total 451’459.20 CHF bis zu seinem Ableben, die Frau 589’099.20 CHF. Damit können wir nun ermitteln (z.B. indem wir den Sparplanrechner bemühen), wie die AHV-Beiträge verzinst werden. Und da gehen dir die Augen auf: für den Mann bedeutet das eine Verzinsung von lausigen 1.74% p.a., für die Frau 2.78% p.a. – die Frau erzielt dank kürzerer Einzahlungsdauer und erheblich längerer Bezugsdauer 1.6x so viel wie der Mann.

Sobald wir uns nicht mehr Alleinstehende anschauen, sondern von einem verheirateten Paar während der Rentenbezugsdauer ausgehen, bricht für beide die fiktive Verzinsung in sich zusammen, weil die Summe beider AHV-Renten beim 1.5-fachen AHV-Maximum gedeckelt (plafoniert) ist. Was der SGB selbstverständlich ebenfalls unterschlägt: eine solche Plafonierung existiert bei der Dritten Säule selbstverständlich nicht.

Die zweite Lüge des SGB

Und nun rechnen wir rückwärts: wenn ich das Endkapital und die Beitragsjahre kenne, kann ich ermitteln, wieviel Mann bzw. Frau monatlich in ein 3a-Weltdepot einzahlen müssten, um bei 7.0% durchschnittlicher Rendite pro Jahr auf dieselbe Endsumme zu kommen.

Lüge Nummer 2 des SGB entlarvt: der Mann braucht nur 127.32 CHF monatlich zurückzulegen, um auf die 451k Endkapital zu kommen. Die Frau muss logischerweise beim selben Depot mit derselben Renditeerwartung, aber nur 43 Jahren Einzahlungsdauer, monatlich 178.77 CHF für ihr deutlich höheres Endkapital von 589k berappen.

Soviel zum Thema «dank AHV würden mehrere Hunderttausend Franken gespart». Pustekuchen. Doch es geht noch besser. Wir können uns ja den Spass machen zu ermitteln, wie hoch die mögliche Rente für die beiden Musterschüler ausfällt, wenn sie exakt die Beiträge von 568.40 CHF auf diese Weise sparen. Das sind 6’825.60 CHF im Jahr, mithin wird also schon die aktuell mögliche Maximaleinzahlung in Säule 3a nicht ausgeschöpft. Schauen wir, was herumkommt:

Mann: Endkapital nach 44 Jahren 2’016’918.45 CHF

Frau: Endkapital nach 43 Jahren 1’873’014.70 CHF – das eine Jahr weniger Lebensarbeitszeit schlägt bei einer realistischen Verzinsung also richtig rein

Die dritte Lüge des SGB

Der Einfachheit halber habe ich bisher ohne Lohnerhöhungen und Inflationsanpassung gerechnet. Nehmen wir realitätsfernerweise einmal an, ab Rentenbeginn würde das Kapital überhaupt nicht mehr verzinst, sondern nur noch aufgebraucht. Dann ergeben sich folgende Renten:

Mann: 16.4 Jahre je 122’982.80 CHF jährlich, also über 10’000 CHF pro Monat

Frau: 21.4 Jahre je 87’524.05 CHF jährlich, also knapp 7’300 CHF pro Monat

Na wenn das mal nicht für eine auskömmliche Rente reicht. Das war dann Lüge Nummer 3 des SGB.

Rechnung mit Inflationsschutz

Und jetzt das Ganze noch einmal mit Inflationsanpassung und Verzinsung in der Entnahmephase. Ich gehe von 1.0% Inflation bzw. Beitragserhöhung pro Jahr aus, und in der Entnahmephase verzinse ich das Kapital nur noch mit 3.0% p.a. – das sollte dann auch die jährliche Entnahme sein, um eine «ewige Rente» sicherstellen zu können. Ich decke also das Langlebigkeitsrisiko ab und vererbe den Grossteil des angesparten Kapitals weiter.

Mann: AHV-«Kapital» nach 44 Jahren 547’747.05 CHF (totale Einzahlungen 374’678.55 CHF); 3a-Kapital hingegen 2’276’586.10 CHF bei identischen Einzahlungen

Frau: AHV-«Kapital» nach 43 Jahren 673’614.30 CHF (totale Einzahlungen 364’215.55 CHF); 3a-Kapital hingegen 2’112’970.95 CHF bei identischen Einzahlungen

Offensichtlich ist der Effekt der Inflationskompensation aufs Endkapital dank der in der Schweiz sehr niedrigen Inflationsrate nicht riesig. Für dich wichtig fürs Verständnis: das resultierende Endkapital hat am Schluss nur dann dieselbe Kaufkraft wie meine erste Berechnung ohne Berücksichtigung der Inflation, wenn wir auch die „Verzinsung“ um den Inflationsfaktor anheben. Etwa 25% Kaufkraft büssen wir bei meiner Musterrechnung trotzdem ein. Mal schauen, ob sich das überhaupt auf unsere fiktive Rente auswirkt:

Unser Beispiel-Mann könnte bei einer Dynamik von 1.0% p.a. (Inflationskompensation) und einer weiter laufenden Rendite von 3.0% p.a. auf dem Kapital monatlich eine Kaufkraft von 10’000 CHF entnehmen, und das Kapital würde knapp 24 Jahre reichen. Er wäre dann 89 Jahre alt. Will er dennoch auf Nummer sicher gehen, dass das Kapital ausreicht, um 100 Jahre alt zu werden ohne zu darben, kann er anfangs monatlich 7’500 CHF entnehmen. Es ist wohl diskussionslos, dass das eine sehr gute Rente ist, die sogar 74% des letzten inflationsindexierten Monatslohns vor Renteneintritt abdeckt.

Für die Beispiel-Dame sieht es folgendermassen aus. Die knapp 7’300 CHF, die wir für sie zunächst berechnet hatten, reichen bei 1.0% p.a. Inflationskompensation und 3.0% Rendite p.a. 27.85 Jahre aus (sie wäre dann fast 92). Möchte auch die Dame davon ausgehen, dass sie 100 Jahre alt wird, kann sie anfangs 6’186 CHF monatlich entnehmen – immer noch 61% des letzten Einkommens, also in aller Regel ebenfalls mehr als genug.

Das Ende vom Lied

Wir halten also wieder einmal fest: trau keiner Studie, die du nicht selbst bezahlt hast. Und traue auf keinen Fall Linken, die unreflektiert mit zusammengelogenen Zahlen um sich werfen, weil sie ihre heissgeliebten Umverteilungsmechanismen in Gefahr sehen. Und selbstverständlich lügt der SGB auch wie gedruckt, wenn er allen Ernstes behauptet, für Akademiker und Hochqualifizierte rechne sich die AHV ebenfalls – bekanntlich zahlt jeder Erwerbstätige drauf, der durchschnittlich über alle Beitragsjahre mehr als das Einkommen zur Erzielung des AHV-Maximums verdient (die „Verzinsung“ für mich persönlich ist auf eine Rentenskala 44 hochgerechnet bereits krass negativ).

Ach ja, um den Gegenwert einer 13. AHV-Rente für die durchschnittliche Lebenserwartung per 3a zu finanzieren, müsste Mann lediglich 11.35 CHF monatlich während der 44 Jahre Erwerbsphase zurücklegen (7.0% Rendite p.a. im Depot), und Frau müsste für ihre 43 Jahre 15.91 CHF dafür aufwenden. Das Bisschen kann buchstäblich jede(r) aufbringen, dessen Einkommen dem Medianeinkommen aller Schweizer entspricht.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert