Mit der heute beginnenden Artikelfolge beginne ich dir meine Portfoliostruktur, meine Asset Allocation und die im Depot eingesetzten Wertpapiere vorzustellen. Selbstverständlich erfährst du nach und nach auch, wie ich die aktuelle Struktur ausgearbeitet habe. Dazu betrachten wir ausserdem verschiedene Möglichkeiten, wie du an den Aufbau eines Portfolios herangehen kannst. So wird für dich nachvollziehbar, weshalb ich mich so und nicht anders entschieden habe.
Erforderliche Vorkenntnisse
Ich setze in der Artikelreihe voraus, dass du bereits weisst, dass und warum «man nicht alle Eier in einen Korb legen soll». Weiterhin setze ich voraus, dass du den Begriff der Diversifizierung bereits kennst, ebenso wie die verschiedenen Risiken, die du durch den Aufbau eines diversifizierten Wertpapierportfolios reduzierst. Der Zinseszinseffekt muss dir bekannt sein, und die negativen Auswirkungen von laufenden Depot-, Transaktions- und Produktgebühren muss ich ebenfalls voraussetzen.
Wenn das alles geklärt ist, können wir uns die möglichen Instrumente und Investitionsansätze der Reihe nach anschauen. Mein Werdegang an der Börse ist auch untergemischt, denn so kann ich dir zeigen, welche Fallen wo lauern.
- Teil 1: Aktien, Fonds oder ETFs?
- Teil 2: Mögliche Diversifikationsansätze
- Teil 3: Nicht nur Aktien!
- Teil 4: Das Gewicht der Welt
Mögliche Investitionsvehikel
Zuerst kamen die Aktien
Von Spätsommer 1998 bis Herbst 2006 habe ich ausschliesslich mit Aktien einzelner Unternehmen experimentiert und vor allen Dingen spekuliert. Auf langfristige Anlage und Vermögensaufbau war mein damaliges Vorgehen nicht ausgelegt. Insbesondere mit einzelnen Spekulationen am Neuen Markt habe ich mir die Nase blutig geschlagen. Herausgerissen hat das einzig Pfeiffer Vacuum. Das war einer von genau zwei Werten am Nemax, der schwarze Zahlen schrieb und sogar eine Dividende ausschütten konnte.
Zwischen 2001 und 2006 bewegte sich die Aktie immer wieder pingpong-artig in einem Korridor. Ich stieg mehrfach in der Nähe des oberen Endes des Kanals aus, um in der Nähe des unteren Endes wieder zu investieren. So konnte ich die Verluste aus den anderen schiefgelaufenen Experimenten wieder herausholen und etwas Nettorendite machen. Transaktionskosten von ca. 1% pro Trade störten mich Anfänger damals noch nicht. Wie die meisten muss ich sagen «heute bin ich schlauer».
1999 investierte ich etwa 2.500 DM zu einem günstigen Zeitpunkt in Redhat. Als die Aktie sich bei etwa 130 EUR befand (an der Deutschen Börse wurde dieser bereits 1999 als Buchwährung eingeführt), zog ich meinen Einsatz ab und «liess die Gewinne laufen», wie es im damaligen Jargon hiess. Diese zehn Aktien, die ich danach noch hielt, habe ich erst im Mai 2019 zum Kurs von 164,64 EUR abgestossen, kurz vor Abschluss der Übernahme durch IBM.
Und warum heute nicht mehr?
Prinzipiell ist mein Vermögen inzwischen genug angewachsen, dass ich auch ein Depot aus 40 bis 50 Einzelunternehmen aufbauen könnte. Das war allerdings noch nicht der Fall, als ich im Jahr 2006 mit dem systematischen Vermögensaufbau begann. Ich hätte entweder nur sehr kleine Stückelungen kaufen können (mit dem Effekt, dass die Transaktionskosten für jeden Kauf ein sehr hohes Gewicht bekommen hätten), oder ich hätte mich auf anfangs sehr wenige verschiedene Aktien einschränken müssen. Das hätte mich dann wiederum extrem den Marktschwankungsrisiken ausgesetzt und meine durchwachsenen Stockpickingfähigkeiten auf die Probe gestellt. Da in 99% aller Börsentransaktionen am anderen Ende aber ein Institutioneller sitzt, steht von vornherein praktisch fest, wer längerfristig der nahezu sichere Verlierer ist.
Nach den beschriebenen ersten Spekulationen während der Dotcomblase habe ich daher für den langfristigen Vermögensaufbau mittels eines breit diversifizierten Depots von Einzelaktien Abstand genommen. Insbesondere wenn ich möglichst die ganze (Finanz-)Welt abdecken möchte, wird es mit Aktien einzelner Regionen und Länder sehr schwierig.
Heute besitze ich keine Aktien von einzelnen börsennotierten Unternehmen mehr.
Erstes Depot mit aktiv gemanagten Fonds und Indexfonds
Als ich die herausfordernde Lebensphase von Herbst 2001 bis Ende 2004 hinter mir hatte und endgültig im Berufsleben angekommen war, begann ich zunächst wie viele andere damit, mir mein Depot mit aktiv gemanagten Fonds zu bestücken. Ich hatte eingesehen, dass ich alleine nicht schlauer sein konnte als «der Markt». Zwar waren die allerersten ETFs zu der Zeit ebenfalls bereits in Deutschland handelbar, insbesondere von Indexchange, Lyxor und ein paar anderen. Sparpläne auf ETFs existierten jedoch noch bei keiner Bank. Stattdessen waren Fondsdiscounter sehr populär, mit denen man die Ausgabeaufschläge vermeiden und teilweise auch bereits einen kleinen Teil der Retrozessionen zurückbekommen konnte.
Indexfonds gab es zwar auch schon, die waren aber trotz ihrer Passivität immer noch relativ teuer (TER um 1% p.a.). Und wie ich zugeben muss, war auch ich früher einmal anfällig für das, was Gerd Kommer unter dem Begriff «Investmentpornografie» zusammengefasst hat. Folglich vertraute ich wie so viele unbedarfte Anfänger auf die Auguren, die ja gemäss der Finanzfachpresse «besser waren als der Markt». Von der Kennzahl R2, die die Abbildungstreue eines Vergleichsindex in Prozent darstellt, wusste ich damals noch nichts.
Dennoch konnte ich mit meinen Depots bei eBase (die Fonds) und comdirect (für meine Relikte der Dotcomzeit und für den damals in Deutschland anders nicht erwerbbaren legendären Wandelanleihenfonds «Lilux Convert II») von Ende 2006 bis Mitte 2008 die ersten knapp 12.000 EUR zusammensparen, anfangs sogar mit guten Buchgewinnen.
Etwa ein Drittel meiner damals möglichen Sparquote ging für die Schuldentilgung bei meinen Eltern drauf, und ein weiteres Drittel bestand aus den monatlichen Raten meiner Privaten Rentenversicherung. Ab etwa 2009, als ich endgültig erkannt hatte, welchen immensen langfristigen Schaden jährliche Fondsgebühren von durchschnittlich 1.5% p.a. verursachen, schwenkte ich nach und nach auf ETFs um. Jetzt kannte ich auch R2 und stellte dank Morningstar fest, dass fast alle «meiner» Fonds systematisch den falschen Vergleichsindex zugrunde legten und bei Anwendung des korrekten Vergleichsindex gar keine Überrenditen mehr erwirtschafteten, sondern nach Kosten nahezu immer unter diesem korrekten Vergleich blieben.
Heute besitze ich in logischer Konsequenz keine aktiv gemanagten Fonds mehr.
Endlich der Wechsel auf ETFs (börsengehandelte passive Indexfonds)
Im Jahr 2009 war für die ETFs in Deutschland der Knoten geplatzt, so dass man inzwischen eine Auswahl aus mehreren hundert handelbaren ETFs zur Verfügung hatte. Mit Sparplänen sah es aber noch immer relativ mau aus – wenig Auswahl und für meine damals möglichen Sparraten effektiv zu hohe Transaktionsgebühren. Auch für die Anschaffung der ETFs fielen die Transaktionskosten für die einzelnen Käufe an der Börse noch ordentlich ins Gewicht. Entsprechend langsam ging der Aufbau anfangs vonstatten, weil ich mehrere Monate pro Kauf ansparen musste.
Im Herbst 2011 schwenkte ich endgültig (bis auf den Lilux) vollständig auf ETFs um und baute das bis heute in seiner Grundstruktur weiterhin vorhandene Weltportfolio auf. Ende 2011 betrug der Depotwert bereits gut 23.000 EUR. Von Sommer 2008 bis Ende 2011 sieht das nach wenig Entwicklung aus. Der Finanzkrisen-Crash 2008, wegen meines letzten Umzugs innerhalb Deutschlands der Kauf einer Einbauküche für die Wohnung, eine erzwungene Ersatzbeschaffung eines Autos sowie die fünfstellige Investition in die Auswanderung im Frühjahr 2011 fielen allerdings auch in diese Zeit und haben meinen Vermögensaufbau damals ausgebremst.
Ab Anfang 2012 konnte ich die jährliche Sparrate extrem ausbauen. Sie lag bereits damals höher als mein Bruttogehalt im ersten Berufsjahr. Die Einsicht, dass es sinnlos ist, Fonds nachzujagen, die «besser sind als der Markt», war eine der heilsamsten meines Lebens. Und wenn du den Markt eh nicht schlagen kannst, dann kauf ihn halt einfach.
Sämtliche Anlagen, auf die ich Einfluss nehmen kann, setzen bei mir heute auf ETFs. Das sind vor allem mein Depot, meine Säule 3a sowie die Überschüsse in der Rentenversicherung und der Berufsunfähigkeitsversicherung. Und sogar die Pensionskasse meines Arbeitgebers verwendet fürs Management der verwalteten Vermögen eine Mischung aus ETFs und Indexfonds.
Zwischenfazit
Heute hast du meine Evolution vom Aktienspekulanten zum Langfristanleger mit ETFs kennengelernt. Im nächsten Teil schaue ich mir mit dir die verschiedenen möglichen Diversifikationsansätze an, und ich erläutere dir, wie es zu dem von mir gewählten Ansatz kam.
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